Literaturabend in Neuried: Von Vertreibung bis Überraschungsei
- 6 Okt 2025
- AutorenNetzwerk Ortenau-Elsass®
AutorenNetzwerk Ortenau-Elsass® begeistert mit Zeitzeugenberichten und Humor – Dritter Gastauftritt beim AK Kultur in der Kirche
NEURIED. Das AutorenNetzwerk Ortenau-Elsass® hat im evangelischen Gemeindehaus Neuried ein facettenreiches Programm präsentiert, das das Publikum von berührenden Erinnerungen bis zu herzlichem Lachen führte. Der gut besetzte Saal zeugte von der anhaltenden Beliebtheit der Veranstaltung, die bereits zum dritten Mal vom Arbeitskreis Kultur in der Kirche organisiert wurde.
Nach der Begrüßung durch Helge Wirth eröffnete Helmut Hannig den Abend mit einer Lesung aus seiner Autobiografie „was bleibt". Seine Schilderungen der Deportation der Vertriebenen in Viehwaggons, vorgetragen mit leichter Altersbrüchigkeit und spürbarer Erinnerungsschwere, übertrugen sich intensiv auf die Zuhörer – so manches Auge wurde feucht.
Gerd Birsner, begleitet von Gitarre und Mundharmonika, übernahm direkt danach die anspruchsvolle Aufgabe, das Publikum aus der Betroffenheit zu lösen. Er griff das Bahnmotiv aus Hannigs Lesung auf und ließ die Zuhörer in zwei Gruppen die Geräusche der historischen Dampflok der Mittelbadischen Eisenbahn „Entenköpfer" imitieren. Dieser psychologische Griff holte alle aus dem schockstarreähnlichen Zustand ins Aktive zurück.
Hans Weide, der 30 Jahre lang Ortsvorsteher in Ottenheim war, steuerte nicht minder anrührende, aber humorvolle Erinnerungen bei. Aus seinem 2025 im Edition Blaue Stunde erschienenen Buch „Der Ortsvorsteher" las er zwei wahre Begebenheiten. Die erste handelte vom „Lautlosen Glockenläuten": Drei „böse Buben" spielten dem Pfarrer einen Streich, indem sie die Glocken mit Stroh umkleideten und stumm stellten. Weides Vater las davon in der Zeitung und amüsierte sich, ohne zu ahnen, dass sein eigener Sohn zu den Tätern gehörte – erst zur Fastnachtszeit kam die Wahrheit ans Licht. Die zweite Anekdote beschrieb ein Erlebnis mit seinem vierjährigen Sohn beim Ausfüllen eines Lottoscheins: Auf die Frage, was er sich bei einem Gewinn wünschen würde, antwortete der Knabe prompt mit „Ein Überraschungsei". Die herzige Geschichte erntete reichlich Lachen.
Emira Peckolt (19), das jüngste aktuelle Netzwerkmitglied aus Neuried und seit 2017 durchgehend unter den ersten drei Preisträgern des LeseRabe-Schreibwettbewerbs, las zwei ihrer Gewinnertexte. Die krimilastige Geschichte „Gartenschläfer" baute das Thema zu einer Episode über einen Stalker aus. Besonders emotional war ihre Ich-Erzählung „Spiegelbilder" über eine Alzheimerbetroffene im betreuten Wohnen: In der Schlussszene erkennt die Dame im Spiegel Ähnlichkeit mit ihrer Mutter und meint, es müsse ein Bild ihrer Mutter sein – sie betrachtet das weiße Haar, die Falten und die Augen, findet die Frau schön, erkennt aber nicht sich selbst.
Zwischen den Beiträgen brillierte Gerd Birsner mit seiner Setlist: „Herbstzeitlose" (über das Jahr in Pension, Kürbisgesichter und Nebelsonne), „Der Rhein" (mal wild wie ein Tiger, mal friedlich wie ein Lamm, Grenze und Verbinder), „Enteköpfer" (Fahrt der Mittelbadischen Eisenbahn von Lahr bis Rastatt), „Yufka, my friend" (Yufka gegen badische Spezialitäten wie Erbswurstsuppe und Grumbeersupp mit Zwetschgenkuchen), „Merguez" (die beste vom Metzger Franz Zink, „brennt im Mund und auch im G'säß") sowie „Badischer Himmel" (mit neuer Endstrophe über den grenzenlosen Himmel über Baden und den Vogesen, der Baden und Elsass für immer verbindet).
Die herzliche Aufnahme – vom ersten Auftritt in der Kirche bis zu den beiden im hellen, freundlichen neuen Gemeindehaus – unterstrich das Gefühl, freudig erwartet worden zu sein. Der Veranstalter bat um einen Eintrag ins Gästebuch.
Kommende Veranstaltungen des AutorenNetzwerks: Weitere Termine finden Sie im Terminkalender auf der Webseite des AutorenNetzwerks Ortenau-Elsass® (www.autorennetzwerk-ortenau.de) und beim AK Kultur in der Kirche (www.kulturinderkirche.de).
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