Cem Sevgilli vom Le Quartier Feinkost: Wie aus Döner macht schöner ein Kulturauftrag wurde
- 6 Okt 2025
- Regio Ortenau
#RegioGespräch: Ein türkischer Familienbetrieb entwickelt sich zum internationalen Feinkostparadies – Offenburgs erster Fleischsommelier über Leidenschaft, Qualität und Menschlichkeit
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Ein kleiner türkischer Laden mit dem Slogan „Döner macht schöner" wurde zu einem der angesehensten Feinkostgeschäfte der Ortenau. Die Geschichte der Familie Sevgilli zeigt, wie aus einem Wagnis ein Erfolg wurde, der Kulturen verbindet und Genießer begeistert.
6. Oktober 2025, Offenburg, apg: Wer das Le Quartier Feinkost am Quartiersplatz im Seidenfaden betritt, wird von einer beeindruckenden Vielfalt empfangen: Von japanischem Wagyu-Rind über toskanisches Chianina hin zu galicischer Rubia Gallega – die Fleischtheke liest sich wie eine kulinarische Weltreise. Dahinter steht Cem Sevgilli, unser heutiger Interviewgast. Sevgilli ist Offenburgs erster und einziger zertifizierter Fleischsommelier, der mit 98 von 100 Punkten als Jahrgangsbester der renommierten Fleischerschule Augsburg abschloss.
„Mach was Gutes und wirf es ins Meer", zitiert der 40-Jährige ein arabisches Sprichwort, das seine Unternehmensphilosophie perfekt zusammenfasst. Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch die beeindruckende Familiengeschichte, die 1988 mit der Ankunft der Brüder Cem (damals 3) und Can (damals 5) aus der Türkei begann.
Die Integration der Familie Sevgilli ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie im Bilderbuch steht. „Wir hatten sehr, sehr tolle Nachbarn“, erinnert sich Cem dankbar. „Sie haben uns die Kultur nahegebracht, uns mit zum Baggersee mitgenommen, uns in jeder Hinsicht geholfen, Fuß zu fassen." Diese frühe Prägung durch Menschlichkeit und Offenheit sollte später das Geschäftsmodell der Familie prägen.
1998 wagte Vater Sevgilli den Schritt in die Selbstständigkeit. Der Can Market in der Offenburger Goldgasse startete mit einem spektakulären Marketingcoup: Bei der Eröffnung gab es für jeden Besucher gratis Döner. „Da stand wirklich ein Freund mit dem Dönerspieß vorm Laden", schmunzelt Cem bei der Erinnerung. Das Geschäft war schnell publik und etablierte sich als Anlaufstelle für türkische Spezialitäten.
Nach Stationen in der Goldgasse und Hildastraße kam 2020 die große Chance: Der Umzug ins Le Quartier am Seidenfaden. Doch mit dem viermal größeren Geschäft kam auch eine mutige Entscheidung: „Wir hören auf mit dem Ethno-Food. Wir machen jetzt einen Feinkostmarkt für jedermann“, beschreibt Cem den radikalen Kurswechsel.
Der Preis war hoch: Im ersten Jahr machte die Familie eine halbe Million Euro weniger Umsatz, obwohl sich die Ladenfläche vervierfacht hatte. Viele Stammkunden fühlten sich vor den Kopf gestoßen, als plötzlich auch Schweinefleischprodukte im Sortiment auftauchten. „Der ein oder andere war enttäuscht, sie haben ihren Metzger verloren“, gibt Cem offen zu.
Doch die Vision war klar: Qualität statt Quantität, Genuss statt Masse. „Wir wussten, wie wir verkaufen", betont der Fleischsommelier. Die Erfahrung aus Cems Zeit als Verkaufsleiter im Offenburger Schlachthof half dabei. Er hatte den Trend erkannt: Die Menschen wollten besondere Cuts, internationale Spezialitäten, erstklassige Qualität.
„Lerne Fähigkeiten, nicht nur Fächer. Mathe hilft dir nicht, wenn dein Reifen platzt“, zitiert Cem einen Satz, der ihn besonders beeindruckt hat. Seine eigene Geschichte ist das beste Beispiel dafür: Ohne klassische Metzgerausbildung, aber mit unglaublicher Leidenschaft und Geschäftssinn, hat er sich zum Experten entwickelt.
Die Ausbildung zum Fleischsommelier war dabei mehr als nur ein Zertifikat. „Es geht um Marktforschung, um Geschichte, um Gesundheit, Tierwohl, um Trends, um besondere Cuts, um Marketing", erklärt er. Als er als Jahrgangsbester abschloss – vor 32 anderen Teilnehmern, darunter gestandene Metzgermeister von Edeka und Rewe –, war das auch eine Bestätigung für seine treuen Kunden.
Heute bezieht Cem Fleisch aus der ganzen Welt: Chianina aus der Toskana, Rubia Gallega aus Galicien, Wagyu aus Japan und Australien, Black Angus aus Argentinien. „Für mich ist wichtiger: Wie ist die Aufzucht vom Tier, wie ist die Fütterung und welche Rasse ist es", erklärt er seine Philosophie. Die oft propagierte Regionalität sieht er differenziert: „Wenn jeder Deutsche darauf bestehen würde, nur regional einzukaufen, wäre Deutschland bestimmt kein Exportweltmeister."
Dass das Konzept aufgeht, zeigen nicht nur die Verkaufszahlen. Ein Kunde hat das Logo des Le Quartier sogar als Rückwand seiner Küche gestaltet. „Der hat unser Geschäftslogo mit kulinarischen Bildern verewigt“, erzählt Cem sichtlich gerührt. Solche Geschichten bestätigen: Hier geht es um mehr als nur Handel.
Die Kundschaft beschreibt Can und Cem als „kultivierte Menschenfreunde“ – Menschen, die Qualität schätzen und bereit sind, für gutes Essen auch entsprechend zu bezahlen. Dabei bleiben die Preise fair: „Wir sind immer 20–30 Prozent günstiger als der Markt“, betont er. Das Ziel sei es, die Ware frisch und rasch zu „drehen“, nicht maximale Margen zu erzielen.
Wenn Cem nicht im Geschäft steht, spielt er seit 15 Jahren Tennis bei Rot-Weiß Achern, geht dreimal die Woche ins Gym und jeden Sonntag joggen. Mit seiner russischen Frau, mit der seit dem 18 Lebensjahr liiert ist, und den Kindern genießt er gerne die italienische, spanische und griechische Küche – die türkische erwähnt er bewusst nicht, „die gibt’s ja bei mir daheim“.
Auf die Frage nach einer Botschaft für die Ortenau überrascht Cem mit einem unerwarteten Thema: „Man sollte mehr für Tourismus tun. Wir leben wunderschön, aber wir können das bislang nicht so richtig darstellen.“ Der Mangel an modernen Resorts und Hotelanlagen im Schwarzwald beschäftigt den Unternehmer, der selbst ein Paradebeispiel für gelungene Integration und wirtschaftlichen Erfolg ist.
Das Le Quartier Feinkost ist mehr als ein Geschäft – es ist ein Ort der Begegnung, wo Kulturen durch Genuss zusammenfinden. Wo einst „Döner macht schöner“ lockte, verbindet heute internationale Spitzenqualität Menschen aller Herkunft. Die Familie Sevgilli hat bewiesen: Mit Mut, Qualität und vor allem Menschlichkeit lässt sich auch ein gewagter Kurswechsel zum Erfolg führen.
Wer neugierig geworden ist, sollte dem Le Quartier Feinkost in der Helene-Weber-Straße 8 in Offenburg einen Besuch abstatten. Die transparente Merguez-Manufaktur und die beeindruckende Fleischauswahl sind nicht nur für Grillfreunde ein Erlebnis. Und wer weiß – vielleicht trifft man dort auch Offenburgs ersten Fleischsommelier persönlich an der Theke.
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